Dieser Meldekanal hat insbesondere sicherzustellen, dass die Identität des Whistleblowers und Dritter, die in der Meldung erwähnt werden, vertraulich bleibt und nicht befugten Mitarbeitern jeglicher Zugriff auf den internen Meldekanal verwehrt wird. Weiters müssen die Organisationen alle eingegangen Meldungen genau und umfassend dokumentieren. Aktuell liegt die Richtlinie nur in einem überarbeiteten Entwurf vor, doch schon 2021 könnte sie in Kraft treten. Lesen Sie mehr über die neue Whistleblowing Richtlinie und holen Sie sich Tipps zur Umsetzung.
Was ist Whistleblowing
Ob Panama Papers, Paradise Papers oder Cambridge Analytica – in all diesen Fällen haben sog. Whistleblower die entscheidende Rolle gespielt.
Ein Whistleblower – übersetzt Hinweisgeber oder Aufdecker – ist eine natürliche Person, die in ihrem Arbeitsumfeld beispielsweise kriminelle Machenschaften wie Korruption oder Datenmissbrauch entdeckt und an die Öffentlichkeit bringt. Damit sollen Schäden für die Öffentlichkeit (dazu gehören insbesondere die Bereiche Umwelt, Finanzen, Gesundheit, Sicherheit, Verbraucherschutz) verhindert werden. Die Herkunft des Begriffs ist nicht eindeutig geklärt, eine semantische Beziehung zum deutschen Wort „verpfeifen“ könnte bestehen, analog wie ein Schiedsrichter bei Regelverstößen abpfeift.
81% fürchten Vergeltung und melden nichts
Manche Whistleblower wie der frühere CIA-Mitarbeiter Edward Snowden, der das Ausmaß der weltweiten Spionagepraktiken enthüllte, werden berühmt und zu Helden; er musste allerdings aus den USA flüchten und lebt seit Jahren im Asyl.
Auch wenn nicht alle Enthüllungen solche Schlagzeilen machen, ein Faktum bleibt immer gleich: So wie Snowden fürchten viele Hinweisgeber Vergeltungsmaßnahmen wie Gerichtsverfahren, tätliche Angriffe, Kündigung, damit einhergehende finanzielle Probleme und den Verlust der eigenen Reputation. Daher ist es nicht überraschend, dass im Eurobarometer Korruption (2017) 81% der Befragten angaben, sie hätten einen Korruptionsfall, den sie beobachtet oder miterlebt hatten, nicht gemeldet.
Neue EU-Richtlinie zum Whistleblower Schutz
Die Konsequenzen des Schweigens potenzieller Whistleblower sind teuer: Laut einer Studie der EU-Kommission aus dem Jahr 2017 führt das allein bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen in der EU zu Schäden von 5,8 bis 9,6 Milliarden Euro – pro Jahr.
Seit 2014 gibt es Empfehlungen des Europarats, Whistleblower zu schützen, die aber kaum umgesetzt wurden; denn nur 10 EU-Staaten boten umfassenden Rechtsschutz – Österreich war nicht darunter. Daher hat man sich jetzt EU-weit auf neue Regelungen für den Hinweisgeberschutz geeinigt. Das sind die wichtigsten Punkte:
- Geschützt werden Whistleblower, die Verstöße gegen EU-Recht aufdecken, wie etwa Steuerbetrug, Geldwäsche oder Delikte im Zusammenhang mit öffentlichen Aufträgen, Produkt- und Verkehrssicherheit, Umweltschutz, Strahlenschutz und kerntechnische Sicherheit, Tierschutz, öffentliche Gesundheit, sowie Verbraucher- und Datenschutz.
- Organisationen mit 50 oder mehr Mitarbeitern werden verpflichtet, Maßnahmen zu ergreifen. Für Organisationen, die im Finanzdienstleistungsbereich tätig oder für Geldwäsche- oder Terrorismusfinanzierungstätigkeiten anfällig sind, gilt diese Verpflichtung unabhängig von der Beschäftigtenanzahl.
- Nach dem Richtlinienentwurf müssen Hinweisgeber Verstöße möglichst zuerst über interne Kanäle melden, sie dürfen in Zukunft aber auch externe Kanäle (z.B. nationale Behörden oder EU-Einrichtungen) nutzen. Der externe Weg ist u.a. möglich, wenn unmittelbare Gefahr droht und Gefahr im Verzug vorliegt oder wenn es auf eine interne Meldung keine fristgerechte bzw. gar keine Reaktion gab.
- Der Richtlinienentwurf gilt für aktuelle Mitarbeiter des privaten und öffentlichen Sektors, sowie für ehemalige Mitarbeiter und Bewerber, die im Laufe des Bewerbungsprozesses solche Informationen erlangt haben, als auch für bezahlte oder unbezahlte Praktikanten, Selbständige und Unterstützer des Whistleblowers.
- Das noch vom österreichischen Parlament zu erlassende Gesetz soll auch für mehr Information sorgen, denn nur 15% der Bürger wissen, dass es Regelungen zum Schutz von Hinweisgebern gibt, d.h. 85% wissen das nicht.
Welcher Meldekanal ist wann geeignet
Welche internen Meldekanäle gibt es und in welche könnten Whistleblower das größte Vertrauen haben? Das hängt von der Größe, Struktur und Branche Ihres Unternehmens ab, auch das zur Verfügung stehende Budget sowie die Kultur spielen bei der Entscheidung eine Rolle.
Wir haben für Sie die 5 Meldekanäle mit Vor- und Nachteilen zusammengefasst:
Briefkasten
+ Einfach einzurichten
– Der Hinweisgeber muss auf den Zeitpunkt beim Einwerfen achten, um unerkannt zu bleiben.
– Keine Möglichkeit für Rückfragen bei anonymen Hinweisen
– Schwierige Verwaltung der Meldungen (insbesondere hinsichtlich der zu wahrenden Fristen und der Dokumentationspflicht)
Tipp: Geeignet für Unternehmen, wo Mitarbeiter wenig Zugriff auf Telefon oder Internet haben.
Zentrales E-Mail Konto
+ Einfach einzurichten
+ Hinweisgeber kann jederzeit versenden.
+ Möglichkeit für Rückfragen
– Wenn der Hinweisgeber anonym bleiben will, muss er einen neuen Mail Account errichten.
– Risiken bei Datensicherheit und Datenschutz, v.a. bei unverschlüsselten Mails
Tipp: Achten Sie auf Datenschutz im Sinne der DSGVO. Informieren Sie Ihre Mitarbeiter, wie diese Hinweise anonym mailen können.
Ombudsmann
+ Agiert extern aber im Namen Ihres Unternehmens mit beruflicher Schweigepflicht, z.B. ein Anwalt
+ Mit Fachwissen kann er nachfragen und so den Prozess beschleunigen.
– Eher schwer erreichbar.
– Direkter Kontakt wirkt für manche abschreckend.
– Wird mit unverhältnismäßig hohen Kosten verbunden sein, da die Verwaltung der Meldungen (Wahrung der Fristen & Dokumentationspflicht) einen sehr hohen Aufwand darstellt.
Tipp: Für KMU in der Regel eine gute Lösung. Probleme mit Erreichbarkeit und Sprache kann es aber bei internationalen Standorten geben.
Telefon
+ Sehr verbreitet
+ Variante Call-Center ermöglicht ein Gespräch mit direkten Rückfragen, Variante Anruf-Beantworter ermöglicht jederzeit in jeder Sprache anzurufen.
– Variante Call-Center kann zu Verletzungen der Vertraulichkeit führen, Variante Anruf-Beantworter kann mangelnde Qualität (Verbindung, Ton, …) bedeuten.
– Ein anonymer Hinweisgeber kann technisch mittels Rufnummernerkennung identifiziert werden.
– Schwierige Verwaltung der Meldungen (insbesondere hinsichtlich der zu wahrenden Fristen)
Tipp: Das Telefon ist als ergänzender Kanal geeignet, um allen Mitarbeitern die Möglichkeit zu Meldungen zu geben.
Digitales System
+ Das cloudbasierte System speichert alle Meldungen zentral. Hinweisgeber benötigen weder Mail noch Benutzer-Account. Eingabemasken und Auswahl der Sprache vereinfachen den Zugang.
+ Hinweisgeber erhalten eine Vorfallnummer und ein Passwort, so kann anonym ein Dialog geführt und Rückfragen gestellt werden.
+ Integriertes Case-Management ermöglicht rasches Bearbeiten und Einbeziehen von Fachabteilungen, gesteuert durch Zugriffsrechte.
+ Die Verwaltung der Meldungen wird übersichtlicher und effizienter gestaltet (ein großer Vorteil hinsichtlich der zu wahrenden Fristen sowie der Dokumentationspflichten, die ohne ein digitales System kaum zu managen sind).
– Um die Kommunikation aufrecht zu erhalten, muss sichergestellt werden, dass sich der anonyme Hinweisgeber immer wieder einloggt.
Tipp: Geeignet für mittlere bis große Unternehmen. Stellen Sie sicher, dass Rollen und Rechte für die Bearbeitung der Hinweise klar definiert sind.
Interne Hinweise verhindern Reputationsschäden
Gehen Sie bei der Auswahl des Meldekanals von den individuellen Bedürfnissen Ihrer Mitarbeiter aus. Manche bevorzugen eher den persönlichen Kontakt, andere bleiben lieber unerkannt. Ganz wichtig ist Information: Ihre Mitarbeiter müssen wissen, wo sie sich hinwenden können und Sie sollen das Vertrauen haben, dass für ihren Schutz gesorgt ist.
Sage DPW ist sich des Problems bewusst und arbeitet aktuell an einem digitalen Meldesystem für Whistleblower.
Natürlich bedarf es einigen Aufwands, einen internen Meldekanal einzurichten, entsprechend zu kommunizieren und korrekt zu betreiben. Die Vorteile wiegen dies jedoch auf. Denn Dank Hinweisen von Insidern können Sie Risiken in Ihrem Unternehmen frühzeitig erkennen und Maßnahmen ergreifen. Im Endeffekt dient der Schutz von internen Whistleblowern dem Ziel, Reputationsschäden nach außen zu verhindern.
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