Österreich ist Schlusslicht beim Frauenanteil im Management
„Österreich hat großen Nachholbedarf in Sachen Geschlechterparität: Im europäischen Vergleich gehört das Land zu den Schlusslichtern. Bezogen auf den Frauenanteil in Vorständen belegt Österreich den vorletzten Rang unter den 27 EU-Staaten“ – dieses beschämende Ergebnis liefert die Studie Woman Up: BCG Gender Diversity Index Austria 2020. Analysiert wurden die 50 größten börsennotierten Konzerne Österreichs:
- Der Anteil der weiblichen Vorstände in den Top-50-Unternehmen nimmt nur langsam zu und beträgt jetzt 8,9 Prozent
- Der Anteil der weiblichen Aufsichtsräte liegt durchschnittlich bei 26 Prozent – und damit unterhalb der gesetzlichen Quote.
- In den analysierten Unternehmen befindet sich unter den 75 bestverdienenden Vorständen in Österreich nur eine Frau.
- Wenn Frauen an der Firmenspitze Verantwortung übernehmen, dann selten in den gut dotierten Positionen (Vorstands- bzw. Aufsichtsratsvorsitz).
Österreich ist Schlusslicht bei Reduktion des Gender Pay Gap
Doch es geht nicht nur um die höheren, sondern um alle beruflichen Positionen, beweist der Gender Pay Gap – das ist der Unterschied zwischen den durchschnittlichen Bruttostundenverdiensten von Frauen und Männern in Unternehmen mit 10 und mehr Beschäftigten in der Privatwirtschaft. Frauen verdienen nach wie vor deutlich weniger als Männer, sagt die Analyse Gender-Statistik der Statistik Austria: Im Zehnjahresvergleich habe sich zwar der Gender Pay Gap von 24,3% (2009) auf 19,9% (2019) verringert; Österreich liege aber weiterhin deutlich über dem Durchschnitt der EU-27 von 14,1% . Im EU-Ranking ist Österreich als Drittletzter also auch hier Schlusslicht. Frauen werden schlechter bezahlt, obwohl sie besser ausgebildet sind, so die Analyse weiter: Bezogen auf das Bildungsniveau der Bevölkerung im Alter von 25 bis 64 Jahren verfügten 2018 33,3% der Frauen und 27,3% der Männer über den Abschluss einer mittleren oder höheren Schule. Gleichzeitig lag der Anteil der Frauen mit dem Abschluss einer Hochschule oder Akademie mit 19,9% ebenfalls über jenem der Männer mit 16,3%.
Vielfalt ist gefragt und nützt allen
Das Potenzial an gut ausgebildeten Frauen ist also da. Auch die Vorteile gemischter Teams sind bekannt, diese arbeiten kreativer und produktiver, weil sie verschiedene Perspektiven einbringen. Doch immer noch regiert oft Einheitlichkeit statt Vielfalt. Warum ist das so? Bei der Auswahl und Zusammenstellung von Teams entscheiden (teils unbewusste) gesellschaftliche Bilder mit, das hat eine Untersuchung bei großen Orchestern anschaulich gemacht: Traditionell spielten dort ausschließlich oder fast nur Männer. Als jedoch der Prozess beim Vorspielen geändert wurde, nämlich dass Kandidatinnen und Kandidaten hinter einem Vorhang spielen, stieg die Frauenquote im Orchester signifikant.
Solche Einstellungen bewusst zu machen und zu ändern, ist ein langer Prozess. Aber Unternehmen sollten bzw. müssen dies tun, um wettbewerbsfähig zu bleiben und im Hinblick auf den Fachkräftemangel, um neue talentierte Zielgruppen anzusprechen. Außerdem legen immer mehr Bewerberinnen und Bewerber bei der Auswahl ihres Arbeitgebers Wert auf Vielfalt, als Indikator für eine wertschätzende offene Arbeitsumgebung.
Interne Maßnahmen
Gender Diversity funktioniert nicht, wenn es nur ein Lippenbekenntnis ist. So können Sie im Unternehmen einen nachhaltigen Hebel erzeugen:
- Gleichstellung ist Chefsache und hier heißt es Haltung zeigen, dies muss sowohl von oben her gelebt, als auch immer wieder kommuniziert werden.
- Setzen Sie verbindliche Zielgrößen, nur so wird Fortschritt bei Geschlechtergleichheit messbar und möglich.
- Nützen Sie die Kraft von Role-Models, Frauen in Schlüsselpositionen sind Vorbild und fungieren als Mentorinnen.
- Frauen im Unternehmen frühzeitig fördern, so füllen Sie Ihren eigenen Talente-Pool.
Gender Diversity im Recruiting
Ob Vertrieb oder technische Positionen oder MINT-Branchen – viele Studien zeigen, dass in diesen Bereichen bei gleichen Kompetenzen männliche Kandidaten als kompetenter eingestuft werden. Human Resources kann viel dazu beitragen, sich von stereotypen Mustern zu lösen:
- Job-Anzeige: Achten Sie auf die Sprache, bei häufig verwendeten Attributen wie „Durchsetzungsvermögen“ fühlen sich Frauen weniger angesprochen. Stattdessen sprechen Sie gewünschte Fähigkeiten an, wie Flexibilität oder Erfahrung bei der Kindererziehung – beides sind große Qualitäten für Führungspositionen. Frauen stellen häufiger ihr Licht unter den Scheffel, wenn sie sich nicht zu 100% einer Aufgabe gewachsen fühlen – geben Sie daher an, welche Job-Anforderungen unbedingt nötig sind, die anderen nennen Sie als optional.
- Talente Suche: Warten Sie nicht darauf, von Kandidatinnen gefunden zu werden, sondern bemühen Sie sich um die direkte Ansprache dieser Zielgruppe, etwa in sozialen Netzwerken, in Karrierenetzwerken oder auf Veranstaltungen für Frauen.
- Bild als Arbeitgeber: Flexible Arbeitszeiten sind gefragt, übrigens sowohl bei Frauen, als auch bei Männern. Die jüngere Generation achtet auch auf Angebote wie Elternteilzeit, Väterkarenz, Möglichkeiten für den Wiedereinstieg oder Sabbaticals. Für viele Jobsuchende ist die Unternehmenskultur ein wichtiger Faktor – sorgen Sie daher für ein gendergerechtes Employer Branding.
- Bewerbungsgespräch: In vielen Köpfen sind Führungskräfte oder Techniker männlich. Selbstbewusstsein und Unternehmergeist – bei Männern geschätzte Eigenschaften – werden bei Frauen oft als Arroganz oder Selbstinszenierung bewertet. Frauen wählen daher meist den Weg der Liebenswürdigkeit statt der Kompetenz. Seien Sie daher sensibel, welche Fragen im Bewerbungsgespräch gestellt werden. Hilfreich ist es, wenn eine Frau in ähnlicher Position dabei sein kann.
Überprüfen und als Prozess sehen
Zeigen die internen Maßnahmen Wirkung? Wer bewirbt sich auf die Job-Anzeigen? Checken Sie regelmäßig die Ergebnisse und passen Sie Ihre Strategie der genderneutralen Personalsuche, wenn notwendig, an. Denn Gender Diversity ist ein Prozess, der Jahre in Anspruch nimmt und je nach Unternehmensgröße können mehr oder weniger Maßnahmen umgesetzt werden. Es braucht Prozesse, Regeln und persönliche Haltung. Wichtig ist, damit zu beginnen, denn gemischte Teams sind ein Faktor für den Unternehmenserfolg; Chancengleichheit ist auch ein Faktor für den Wirtschaftsstandort – Österreich muss seine Schlusslichtposition endlich hinter sich lassen.