Gleiches Geld für gleiche Arbeit …
Die EU-Richtlinie zur Lohntransparenz verfolgt ein wichtiges Ziel: Männer und Frauen sollen bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit dasselbe verdienen. Dieser Grundsatz des gleichen Gehalts soll künftig erreicht werden, indem Beschäftigte besseren Zugang zu Informationen haben und Unternehmen mit mehr als 100 Beschäftigten regelmäßig ihrer nationalen Behörde Bericht erstatten müssen (Entgelttransparenz); außerdem sollen Beschäftigte verbesserte Durchsetzungsmechanismen bekommen. Denn viele Menschen – und zumeist sind es Frauen, Stichwort „Gender Pay Gap“ – stehen vor denselben Problemen, wenn sie ein gleiches Gehalt durchsetzen wollen: Sie haben keinen Einblick oder Durchblick in bestehende Entgeltsysteme, es wird ihnen in der Regel schwer bis unmöglich gemacht, an solche Informationen heranzukommen und es fehlt ihnen an Mitteln, eine Gleichbehandlung zu erwirken.
In Kraft getreten ist diese Richtlinie am 6.6.2023 und Mitgliedstaaten müssen sie bis 7.6.2026 umgesetzt haben. Der genaue Wortlaut der EU-RL 2023/970 ist in der deutschsprachigen Fassung nachzulesen.
… oder doch nicht?
Wie notwendig die EU-Richtlinie für Lohntransparenz ist, zeigen die Zahlen:
- In der EU beträgt das geschlechtsspezifische Lohngefälle 12,7 Prozent, d.h. Frauen verdienen bei gleicher Arbeit jede Stunde 12,7% weniger als ihre männlichen Kollegen (Zahlen von 2022).
- Österreich belegt mit 18,4 Prozent den unrühmlichen vorletzten Platz, was faire Bezahlung betrifft, denn Frauen verdienen jede Stunde 18,4% weniger.
Obwohl in den letzten Jahren Verbesserungen umgesetzt und dadurch die geschlechtsspezifischen Lohnunterschiede verringert werden konnten, zählt Österreich nach wie vor zu den EU-Ländern mit dem größten Lohnunterschied zwischen Frauen und Männern – schreibt das Bundeskanzleramt.
Das Problem setzt sich fort
Wer jahrelang weniger Lohn erhält, bekommt schlussendlich auch weniger Pension: Der Gender Pay Gap führt demnach direkt zum Gender Pension Gap; d.h. Frauen sind häufiger von Altersarmut betroffen.
Das Rentengefälle im EU-Durchschnitt liegt bei rund 30 Prozent. Auf EU-Ebene wurde dazu kürzlich eine Konferenz veranstaltet mit folgendem Resümé: Die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten sollten sich auf die Ursachen der Lücke konzentrieren, nämlich die Ungleichheit der Geschlechter auf dem Arbeitsmarkt, etwa das geschlechtsspezifische Lohngefälle, und auf die Ausgestaltung der Rentensysteme.
Die Pensionslücke in Österreich liegt mit 35,5 Prozent wiederum bedeutend über dem EU-Durchschnitt. Der Equal Pension Day fiel demnach 2023 auf den 4. August, an diesem Tag haben Männer im Schnitt bereits so viel Pension bekommen, wie Frauen im ganzen Jahr. Die Ursachen sind laut WIFO vielschichtig, betont werden bestehende Ungleichheiten am Erwerbsarbeitsmarkt, sowohl bei Einkommen als auch bei der Versicherungsdauer. 2022 waren 17,1 Prozent der Pensionistinnen ab 65 Jahren armutsgefährdet und 11,7 Prozent der Pensionisten.
Fehlende Gleichstellung in Österreich
Hierzulande besteht Handlungsbedarf in puncto fairer Bezahlung. Zur Gleichstellung von Frauen und Männern in Österreich hat das Wirtschaftsforschungsinstitut WIFO Ursachen und Handlungsfelder in einem Research Brief analysiert. Wesentliche Punkte, welche die Notwendigkeit der EU-Richtlinie zur Lohntransparenz bekräftigen, sind:
- Der Gender Pay Gap bleibt aufrecht.
- Frauen werden bei gleicher Qualifikation von Anfang an schlechter entlohnt. So verdienen sie mit Hochschulabschluss eineinhalb Jahre nach dem Berufseinstieg im Schnitt elf Prozent weniger als Männer, obwohl unter den 20 bis 25-Jährigen mehr Uni-Absolventinnen als Absolventen sind.
- Bei Frauen mit Pflichtschulabschluss liegt der Rückstand zu den Männern sogar bei 36 Prozent.
- Einkommensunterschiede seien trotz steigender Erwerbsbeteiligung von Frauen nicht einmal „wesentlich verringert“ worden.
Neben der ungleichen Bezahlung gibt es laut WIFO-Analyse weitere Gründe für die fehlende Gleichstellung der Geschlechter in Österreich, etwa traditionelle Rollenklischees: Diese wirken sich einerseits aus, indem Mädchen eher klassische Frauenberufe wählen, die in der Regel schlechter bezahlt sind als beispielsweise technische MINT-Berufe; andererseits, indem Frauen weiterhin den Großteil der Haushaltsarbeit, Kinderbetreuung oder Pflege von Angehörigen übernehmen müssen – die Covid-Pandemie habe das noch deutlicher gezeigt. Außerdem fehle es den Frauen an der adäquaten Vertretung in Politik und Wirtschaft. Hier schließt sich der Kreis, wenn man die zuvor genannten Ursachen betrachtet.
So wirkt die EU-RL Lohntransparenz gegen Diskriminierung
Analysen und Zahlen zeigen: Entgeltsysteme bzw. Einstufungen sind häufig diskriminierend, in der Regel zu Lasten der Frauen, die für gleiche Arbeit weniger auf ihrem Gehaltszettel vorfinden, als ihre Kollegen. Auch Mehrfachdiskriminierungen kommen vor, aufgrund von Alter oder ethnischer Herkunft. Offen gelegte Löhne tragen dazu bei, den Gender Pay Gap zu verringern. Genau hier setzt die EU-Richtlinie an:
- Diskriminierungen können nur entdeckt werden, wenn Gehälter transparent offengelegt sind. Heute ist es jedoch so, dass Frauen oft nur zufällig erfahren, dass sie weniger verdienen.
- Über Gehälter zu sprechen ist in vielen Ländern ein Tabu – dazu zählt auch Österreich. Lohntransparenz kann das ändern und damit für Gleichstellung sorgen.
- Nur wer offengelegte klare Beweise für ungleiche Bezahlung vorlegen kann, hat die Möglichkeit, dagegen erfolgreich vorzugehen.
- Gehälter werden weniger individuell bzw. willkürlich, d.h. künftig kann mangelndes Verhandlungsgeschick nicht mehr als Rechtfertigung für eine mögliche Diskriminierung angeführt werden.
- Mit der neuen Richtlinie wird bei Arbeitgebern das Problembewusstsein für diskriminierende geschlechtsspezifische Lohnunterschiede geschärft.
Im zweiten Teil beschäftigen wir uns mit der Umsetzung: Was gilt heute im nationalen Recht, was sind die konkreten Inhalte der EU-Richtlinie zur Lohntransparenz und worauf müssen sich Unternehmen vorbereiten.