Begriffsdefinition
Bevor wir in das Thema eintauchen, ist eine Unterscheidung wichtig, die im allgemeinen Sprachgebrauch oft untergeht: Worum geht es bei der digitalen Transformation und ist es dasselbe wie Digitalisierung? Die Antwort lautet Nein und die Enzyklopädie der Wirtschaftsinformatik der Uni Potsdam erklärt das so: „Der Begriff Digitale Transformation bezeichnet erhebliche aktive Veränderungen des Alltagslebens, der Wirtschaft und der Gesellschaft durch die Verwendung digitaler Technologien und Techniken sowie deren Auswirkungen. Die digitale Transformation ist typischerweise die Reaktion auf veränderte Rahmenbedingungen durch Digitalisierung. Treten die Veränderungen plötzlich und umbruchartig ein, z.B. durch digitale Transformation eines bestehenden oder neu in den Markt eintretenden Wettbewerbers, wird hierfür der Begriff Disruption verwendet.“
Der Begriff Digitalisierung bezeichnet dagegen die Umwandlung von analogen Daten in elektronische Bits und Bytes, etwa indem wir einen Bewerbungsbrief einscannen; ebenso wird mit Digitalisierung die Übertragung von Aufgaben an einen Computer bezeichnet, zumeist indem wiederholende Prozesse wie die Lohnverrechnung teilautomatisiert erledigt werden.
Wirkung auf Wirtschaft und Gesellschaft
Digitalisierung ist demnach Grundlage bzw. Wegbereiter für die digitale Transformation und diese kann Märkte verändern. Oft zitierte Beispiele sind die neuen Wettbewerber Uber oder AirBnB, die völlig neue Wege für das Taxigeschäft bzw. die Vermietung von Quartieren geschaffen haben: Beide Unternehmen haben kein materielles Betriebsvermögen mehr in Form von Autos oder Häusern, sondern ein immaterielles Vermögen in Form von Daten, über eine Plattform agieren sie nur mehr als Vermittler zwischen Anbieter und Kunden. Stichwort Plattformen – die digitale Transformation beschränkt sich nicht nur auf das Wirtschaftsleben, im Gegenteil: Die letzten Wahlkämpfe, beispielsweise in den USA haben gezeigt, wie soziale Netzwerke mit Algorithmen und Big Data die Politik und damit unsere Gesellschaft beeinflussen können.
Muss oder Chance
Nicht alle Märkte sind disruptiv, dennoch ist eines sicher: Kein Unternehmen, das wettbewerbsfähig bleiben will, kann der digitalen Transformation entgehen. Daher sollte man rechtzeitig Schritte setzen und darin mögliche Chancen sehen, wie:
- Stärkere Kundenbindung durch zielgerichtete Ansprache und individuelle Customer Journey
- Mehr Effizienz durch Produktivitätssteigerung oder Entlastung von Routineaufgaben
- Umsatzsteigerung mit neuen Produkten oder Services und neuen Absatzkanälen
Viele Unternehmen haben bereits Daten oder Prozesse digitalisiert, aber sie haben dann oft nicht weitergedacht. Sie sind also gleichsam nach der Digitalisierung „stehen geblieben“, im Grunde machen sie dieselben Abläufe, nur eben in digitaler Form. Digitale Transformation geht einen Schritt weiter, indem über Kundenbedürfnisse (neu) nachgedacht wird und daraus entstehen neue Marktzugänge für das Unternehmen.
Chancen für heimische Unternehmen
Das Bundesministerium für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort hat in einer Studie mit Accenture das Potenzial beziffert:
- Untersuchungen belegen den positiven Effekt der digitalen Transformation für das Wachstum an neu geschaffenen Jobs. Schätzungen des WIFO ergaben, dass durch eine Vertiefung der Digitalisierung in Österreich jährlich knapp 20.000 zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen werden können.
- Mit digitaler Transformation doppelt so erfolgreich: Unternehmen, welche die Digitalisierung frühzeitig umgesetzt haben, konnten im Vergleich zu den Technologienachzüglern ein um bis zu doppelt so starkes Umsatzwachstum in nur wenigen Jahren erreichen.
- Großes Potenzial, vor allem bei den KMU.
Den digitalen Wandel im österreichischen Mittelstand hat das Beratungsunternehmen EY untersucht und zieht für KMU wichtige Schlussfolgerungen:
- Die Integration von neuen Technologien in das Geschäftsmodell zahlt sich für die heimischen Unternehmen aus: 70 Prozent sahen bereits vor Corona die digitale Transformation als Chance, 17 Prozent davon ohne Vorbehalte.
- Die digitale Zweiklassengesellschaft hat sich im letzten Jahr weiter gefestigt. Es ist gefährlich für Unternehmen und die gesamte Wirtschaft, wenn der digitale Wandel als eine Frage der Unternehmensgröße gesehen wird. Kleinere Unternehmen dürfen nicht auf der Strecke bleiben und müssen den digitalen Sprung wagen. Ausgerechnet die Coronakrise könnte hier allerdings zum Lückenschließer werden.
Risiken immer evaluieren
Die Chancen werden durch Studien unterstrichen. Es ist jedoch immens wichtig für die Gesellschaft – und leider wird dies viel zu oft vernachlässigt – auch an die Risiken der digitalen Transformation zu denken. Oft werden unter dem Mantra des „Fortschritts, mit dem alle mit müssen“ Technologien eingesetzt, die der Gesellschaft, oder Teilen von ihr, schaden. Technologieentwicklung ist rasant und so hinkt die Gesetzgebung meist hinterher. Kritisch ist beispielsweise jeder Algorithmus, der Menschen in irgendeiner Form bewertet oder klassifiziert, hier muss auf Diskriminierung geprüft werden. Unternehmen sollten sich daher für eine Abschätzung in puncto Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) und Ethik Zeit nehmen. Die digitale Transformation hat Potenzial, doch es hängt immer davon ab, wie Menschen entscheiden, sie zu nutzen.
Das lesen Sie im zweiten Teil
Nach den Grundlagen wird es konkret: Wie machen Sie Ihr Unternehmen fit für die digitale Transformation und was sind mögliche Hindernisse.