Zu Beginn die Grundlagen
1. Was die neue Richtlinie besagt
Die Richtlinie der EU verpflichtet zur Einrichtung von Hinweisgebersystemen, um Korruption zu bekämpfen. Denn aus Betrugsfällen entsteht jedes Jahr ein Schaden in Milliardenhöhe. Mitarbeiter, die korrupte Vorgänge beobachten, sollen besser geschützt und damit zur Meldung motiviert werden.
Die Pflicht zur Einrichtung interner Meldekanäle trifft neben öffentlichen, auch private Einrichtungen ab 50 Mitarbeitern. Die Richtlinie verpflichtet den einzelnen Mitarbeiter nicht, eine Meldung zu machen, Sie müssen als Unternehmen aber ein effizientes System einführen. Bedeutet „effizient“ also, dass es genügt, ein System einzurichten, etwa einen physischen Postkasten oder eine zentrale Mail-Adresse – oder müssen Sie auch Ihre Mitarbeiter anweisen, Betrugsfälle zu melden.
2. Die Frage der Zustimmung des Betriebsrats
Im Rahmen der Einführung der EU Whistleblower Richtlinie stellt sich die Frage, ob die flächendeckende Einführung von Whistleblower Systemen unter § 96 Abs 1 Z 3 ArbVG fällt – dieser Paragraph 96 regelt die freiwillige Zustimmung des Betriebsrats folgendermaßen: Stimmt er einer Betriebsvereinbarung über Meldesysteme zu, können Sie alles wie geplant umsetzen und es geht in Ordnung; stimmt er nicht zu, können Sie als Unternehmen keine Zustimmung erzwingen.
Als zweite Bestimmung gibt es § 96 a, dieser regelt die erzwingbare Mitwirkung des Betriebsrats, indem Sie sich an eine Schlichtungsstelle wenden.
Ob Paragraph 96 oder 96 a zur Anwendung kommen werden, wird von der Rechtsprechung abhängen.
3. Der § 96 und die Menschenwürde
Warum kommt der Zustimmung des Betriebsrats eine solche Bedeutung zu? Der Paragraph 96 ist zwingend anzuwenden, wenn die Menschenwürde berührt wird. Wie und wann das bei einem Meldesystem der Fall ist, darüber gibt es naturgemäß noch keine Entscheidungen.
Die Literatur sagt jedoch im Zuge der Beurteilung bisheriger Whistleblower Hotlines dazu: Wenn ein Unternehmen seine Mitarbeiter zu Meldungen verpflichtet, so ist die Menschenwürde berührt. Speziell wenn bei Arbeitnehmern der Eindruck erweckt wird, sie müssten jeden Verdacht melden. Mit dieser ständigen Wachsamkeit wird Bespitzelung gefördert, Mitarbeiter wären in Sorge, dass ihnen jemand ständig auf die Finger schaut und sie jederzeit anzeigen kann.
Alternativ könnte ein Unternehmen also eine Meldesystem einrichten und den Mitarbeitern nur die Möglichkeit einräumen, Verstöße zu melden. Hier sagt die Literatur weiter, dass selbst bei Einräumung einer Meldemöglichkeit die Menschenwürde betroffen sein kann – nämlich, wenn der Katalog an Unrechtmäßigkeiten, die gemeldet werden sollen (laut Artikel 2), ungenau oder zu weit definiert ist. Auch hier könnte der Eindruck entstehen, dass man wegen jeder Kleinigkeit bespitzelt wird.
Erste Tipps für die Umsetzung nach heutigem Wissensstand
Sofern der österreichische Gesetzgeber keine Änderungen beschließt, ist davon auszugehen, dass die Einrichtung des internen Meldekanals nur mit freiwilliger Zustimmung des Betriebsrates möglich sein wird (laut § 96 Abs 1 Z 3 ArbVG), da die Menschenwürde betroffen ist. In Betrieben ohne Betriebsrat wird die Zustimmung von jedem Mitarbeiter erforderlich sein.
Wie sollten Sie im Unternehmen daher – unter der Annahme, dass ein Whistleblowing System die Menschenwürde berührt – vorgehen. Hier gibt es zwei Varianten:
Betriebsrat stimmt der Betriebsvereinbarung zu
Wenn Sie im Unternehmen einen Betriebsrat haben, so ist nach der aktuellen Rechtslage die Einrichtung eines Meldesystems nur mit dessen freiwilliger Zustimmung möglich, Sie müssen mit ihm eine Betriebsvereinbarung machen. Nach erfolgter Zustimmung haben Sie die Richtlinie ordnungsgemäß umgesetzt.
Betriebsrat stimmt der Betriebsvereinbarung nicht zu oder es gibt keinen Betriebsrat
Sollte der Betriebsrat nicht zustimmen, so haben Sie keine Betriebsvereinbarung. Das wird Sie genauso betreffen, wenn Sie keinen Betriebsrat haben, denn es wird schwierig sein, die Zustimmung jedes einzelnen Mitarbeiters separat einzuholen. Für beide Situationen gilt dann:
- Bauen Sie das System möglichst so auf, dass es möglichst nicht in §96 fällt
- Formulieren Sie möglichst keine Verpflichtung zur Meldung von Betrugsfällen
- Geben Sie möglichst konkret vor, wann was bei Verstößen zu melden ist, damit die Mitarbeiter das abschätzen können.
Rechtzeitig informieren
Die EU-Richtlinie über Whistleblowing ist noch nicht in Kraft. Sobald sie in Kraft tritt, ist in Österreich – wie in jedem EU-Land – 2 Jahre Zeit, diese umzusetzen. Derzeit bestehen einige Widersprüche, die der österreichische Gesetzgeber auflösen könnte, etwa indem er das ArbVG ändert. Denn nach aktueller Rechtslage könnte der Betriebsrat die Einführung von Meldekanälen, wenn sie die Menschenwürde berühren, dauerhaft verhindern. Als Unternehmen sind Sie aber zur Einführung laut EU-Richtlinie verpflichtet – der Gesetzgeber könnte also ermöglich, dass Behörden bzw. Gerichte eine Ersatzzustimmung geben können. Hier gilt es, künftige Entscheidungen abzuwarten.
In jedem Fall ist es ein komplexes Thema und es macht Sinn, dass Sie sich rechtzeitig damit auseinandersetzen. Denn aus heutiger Sicht werden Unternehmen um eine Betriebsvereinbarung nicht herumkommen.
Trotz der Komplexität ist die Intention der Whistleblower-Richtlinie in jedem Fall zu begrüßen, denn Korruption schadet jedem Wirtschaftsstandort.
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