Zulässigkeit der Kündigung im Krankenstand
Generell gibt es in Österreich kein Verbot, dass Personen im Krankenstand entlassen oder gekündigt werden. Umgekehrt kann auch ein Arbeitnehmer im Krankenstand selbst kündigen. Allerdings kann sich der Arbeitgeber mit seiner Kündigung nicht von der Verpflichtung befreien, weiterhin Entgeltfortzahlung zu leisten. Denn sonst wäre es zu einfach, jemand zu kündigen, sobald er krank ist, um sich Geld zu sparen; das wäre besonders bei Arbeitern der Fall, wo die Kündigungsfrist in der Regel nur 3 Wochen ist, also kürzer als die Entgeltfortzahlung.
Dauer der Entgeltfortzahlung nach neuer Rechtslage
Während es früher ein kompliziertes Anspruchssystem abhängig von Erkrankung, Wiedererkrankung und der Art der Krankheit gab, ist die neu geregelte Entgeltfortzahlung – vereinfacht gesagt – ein Topf pro Jahr und pro Mitarbeiter. Dabei gelten folgende Regeln:
- Der Topf umfasst die Entgeltfortzahlung von 6 Wochen voll und 4 Wochen halb – das ist der Maximalbetrag eines Berufseinsteigers pro Arbeitsjahr, egal wie oft dieser erkrankt.
- Mit längerer Dienstzeit erhöht sich der jährliche Maximalbetrag, nach 25 Jahren sind das 12 Wochen voll und 4 Wochen halb.
- Wenn weniger verbraucht wird, kann der Topf nicht ins nächste Jahr mitgenommen werden.
- Wenn mehr verbraucht werden würde, bekommt der Arbeitnehmer trotzdem nicht mehr.
Für die Umsetzung bei Angestellten gilt eine Einschleif-Regel zwischen 1.7.2018 und 30.6.2019:
- Startet das Arbeitsjahr des Mitarbeiters am 1.7.2018, so gilt die neue Regelung sofort.
- Startet das Arbeitsjahr des Mitarbeiters z.B. am 1.3.2018, so gilt bis 28.2.2019 die alte Rechtslage und ab dann die neue.
- Mit 1.7.2019 gilt die neue Regelung für alle einheitlich.
Kommentar: Die neue Rechtslage erweist sich für Arbeitnehmer mit längerer Krankheit als nachteilig. Bis jetzt haben loyale Arbeitgeber ihren Mitarbeitern Zeit gegeben zu genesen und mit der Kündigung zugewartet, manchmal sogar einige Jahre. Sie konnten sich dies auch leisten, weil nach der alten Rechtslage nur einmal die Entgeltfortzahlung fällig war; in den Folgejahren fielen nur noch der Urlaubsanspruch und eventuell zwei Sonderzahlungen an. In Zukunft jedoch sind die Entgeltfortzahlungen jedes Jahr neu fällig und das kann – wie bereits ausgeführt – bei einem Dienstverhältnis von 25 Jahren rund 25% des Jahresgehalts betragen, zuzüglich Urlaub und allenfalls auch Sonderzahlungen. Das ist ein erheblicher Kostenfaktor und so wird es künftig Überlegungen geben, rechtzeitig zu kündigen, bevor das zweite Jahr mit dem nächsten Topf beginnt.
Dem gegenüber aber stehen Fälle, wo Mitarbeiter nach Jahren schwerer Krankheit gesund zurückkehren. Generell ist es für jeden Kranken psychologisch wichtig, eine Perspektive zu haben, zu wissen der Job wartet. Leider werden immer mehr Rechtsänderungen im Eilverfahren gemacht und alle Konsequenzen nicht mehr durchgedacht – darunter leidet vor allem die menschliche Ebene.
Worauf Sie speziell achtgeben sollten
Beachten Sie: Mit 1.7.2018 gilt die neue Regelung der Entgeltfortzahlung auch im Fall einer einvernehmlichen Auflösung.
Beispiel 1: Wenn Sie mit dem kranken Mitarbeiter die einvernehmliche Auflösung abschließen und beide unterschrieben haben, dass das Arbeitsverhältnis mit 31. Jänner endet, so müssen Sie als Arbeitgeber im Februar und teilweise im März weiterbezahlen, so lange die Entgeltfortzahlung andauert. Diese Regelung ist unverzichtbar, auch seitens des Arbeitnehmers.
Beispiel 2: Wenn Sie die einvernehmliche Auflösung für einen sehr viel späteren Zeitpunkt abschließen, ist diese Regel praktisch nicht relevant. Ihr Mitarbeiter und Sie unterschreiben während seines Krankenstands am 31. Jänner, dass das Arbeitsverhältnis Ende Juni endet. In diesem Fall liegt die Entgeltfortzahlung noch im Zeitraum des Arbeitsverhältnisses.
Kommentar: Die neue Regelung ist zu global, denn sinnvollerweise sollte unterschieden werden, von wem die Initiative zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses ausgeht. Warum soll ein Arbeitgeber die Entgeltfortzahlung länger zahlen müssen, wenn der Arbeitnehmer von sich aus gehen will.
Die neue Regelung ist prinzipiell eindeutig, aber in einem Spezialfall bringt sie Unklarheiten: Sie gilt nämlich ebenfalls bei einvernehmlichen Auflösungen „im Hinblick auf eine Krankheit“, wobei nicht klar ist, was „im Hinblick“ bedeutet. Was bedeutet es zum Beispiel, wenn ein Arbeitnehmer eine schlimme Diagnose bekommt und er mit heutigem Tag sein Dienstverhältnis beendet, die Behandlung und der Krankenstand aber erst in 3 Wochen beginnen. Hier wird letztlich der OGH entscheiden müssen.
Beachten Sie: Die Zustellung der Kündigung im Krankenstand kann sich als schwierig erweisen. Nur wenn Dienstvertrag oder Kollektivvertrag es verlangen, muss die Kündigung schriftlich sein, ansonsten genügt ein Anruf. Aus Beweisgründen ist aber immer der schriftliche Weg zu empfehlen (oder wenigstens der Anruf gemeinsam mit einer zweiten Person, die im Streitfall das Telefonat bezeugen kann).
Beispiel 1: Ein Arbeitgeber schickt seinem kranken Mitarbeiter die schriftliche Kündigung, zu der er laut KV verpflichtet ist, an dessen Wohnadresse. Da der Mitarbeiter länger im Spital ist, führt dies zu einer Verzögerung des Zugangs und dementsprechend verschieben sich Kündigungsfrist und Ende des Arbeitsverhältnisses.
Beispiel 2: Der Arbeitgeber weiß, dass sein Mitarbeiter im Spital ist und schickt die Kündigung an die Adresse des Spitals. Diese Kündigung ist nur wirksam, wenn sie den Mitarbeiter im Spital auch wirklich persönlich erreicht. Wobei in so einem Fall – unabhängig vom Gesetz – generell diese Vorgehensweise menschlich zu hinterfragen ist.
Im zweiten Teil der Serie „Arbeitsrecht – Beendigung des Dienstverhältnisses im Krankenstand“ geht es um spezielle Aspekte: Beim Thema Kündigungsanfechtung im Zusammenhang mit Krankenstand wird die soziale Gestaltungspflicht erläutert. Bei der Abgrenzung zur Behinderung erfahren Sie über Unterscheidung und Vorgehensweisen.
Dieser Text ist aus einem Interview mit Kristina Silberbauer entstanden.
Kristina Silberbauer ist Rechtsanwältin, spezialisiert ausschließlich auf Arbeitsrecht. Zu den Tätigkeiten ihre Kanzlei zählen die Beratung von Unternehmen in arbeitsrechtlichen Fragen sowie Inhouse-Schulungen, das Erstellen von Gutachten und Führen von Verhandlungen. Als Fachautorin kommentiert Silberbauer aktuelle Themen aus dem Arbeitsrecht in Medien wie Der Standard oder Wirtschaftsblatt.